Der Regenwald im Amazonasgebiet gilt als äußerst wichtiges Ökosystem. Nicht nur, weil es eine riesige Vielfalt an Tieren und Pflanzen beherbergt, von denen viele ausschließlich dort vorkommen: Der Wald speichert auch große Mengen an Treibhausgasen - zumindest, solange er intakt ist. Denn illegale Abholzung und Brandrodung gefährden zunehmend diesen Lebensraum und damit seine Funktion als grüne Lunge.
Der größte Teil des Amazonas-Regenwalds befindet sich in Brasilien. Dort bedeckt er eine Fläche, die fast so groß ist wie die gesamte Europäische Union. Entsprechend schwierig ist es für den Staat, das fragile Ökosystem vor illegalen Eingriffen zu schützen. „Um diesem Problem zu begegnen, hat die damalige Regierung Brasiliens im Jahr 2007 eine sogenannte Liste der prioritären Gemeinden beschlossen“, erklärt Dr. Gustavo Magalhães de Oliveira. „Sie umfasste diejenigen Kommunen, in denen die Entwaldung besonders schnell voranschreitet. Der Staat überwacht Gebiete auf dieser Black List besonders intensiv und ergreift verschiedene Maßnahmen, um die Einhaltung der Umweltschutz-Gesetze voranzutreiben und die illegale Abholzung zu unterbinden.“
Zahl der Tötungsdelikte sank im Schnitt um 17 Prozent
Der Mitarbeiter am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) der Universität Bonn hat die Studie zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Bruno Varella Miranda vom Insper-Forschungsinstitut in São Paulo (Brasilien) durchgeführt. Schon zuvor haben wissenschaftliche Untersuchungen belegt, dass die schwarze Liste wirkt - der Waldverlust ging in den entsprechenden Gebieten deutlich zurück. Die aktuelle Analyse konzentriert sich jedoch auf einen anderen Aspekt: „Die illegale Inbesitznahme von Waldflächen geht in der Regel mit einem Anstieg von Gewalttaten einher“, sagt Dr. Oliveira. „Ein Grund dafür ist, dass die Besitzverhältnisse in diesen Gebieten in der Regel unzureichend geklärt sind. Wir wollten wissen, ob eine Umweltschutzpolitik, die auf die Durchsetzung existierender Gesetze in Brasilien abzielt, auch die Gewalt reduziert.“
Dazu untersuchten die Wissenschaftler die Zahl der Tötungsdelikte, die in Kommunen auf der Liste sowie in nicht gelisteten Vergleichsgemeinden begangen worden waren. Tatsächlich fanden sie dabei einen ausgeprägten Effekt: Wenn eine Kommune auf die Liste gesetzt wurde, sank danach die Zahl der Gewaltverbrechen mit Todesfolge deutlich - im Schnitt um 17 Prozent. Allerdings trat diese Folge nicht direkt ein, sondern erst mit einer Verzögerung von einigen Jahren.
Warum sind Gewalt gegen Mensch und Natur verbunden? Ein Grund ist, dass Gewaltanwendung häufig dem Zweck dient, die Kontrolle über Ressourcen mit ungeklärten Besitzrechten zu gewinnen. In diesem Fall nutzen skrupellose Landräuber - auf portugiesisch grileiros genannt - Gewalt und Korruption, um sich große Gebiete anzueignen, den Wald darauf abzuholzen und das Land danach zu verkaufen. Dabei kommen sie in Konflikt mit Gruppen, die ebenfalls Interesse an dem betroffenen Gebiet haben, oder auch den tatsächlichen Besitzern - beispielsweise mit Indigenen, die die betroffenen Flächen seit Generationen schonend nutzen. „Zudem ist aus der Forschung bekannt, dass kriminelles Verhalten oft andere Gesetzesverstöße nach sich zieht“, betont Oliveira.
Kriminalität zieht oft Gewalt nach sich
Die schwarze Liste sowie die damit verbundenen Maßnahmen zur Durchsetzung der Umweltgesetze erhöhen das Risiko für potenzielle Straftäter. Durch diesen Abschreckungseffekt kommt es seltener dazu, dass Kriminelle sich Waldflächen mit schlecht geklärten Besitzverhältnissen einfach so anzueignen versuchen. Damit sinkt die Zahl der gewalttätigen Konflikte, die dieser illegalen Landnahme oft vorangeht. Was der Natur hilft, hilft also auch ganz direkt den Menschen.
Allerdings wird diese gute Nachricht durch neuere Entwicklungen getrübt: In den letzten Jahren ist die Zahl der Tötungsdelikte in der Amazonas-Region wieder deutlich angestiegen. „Die geschäftlichen Chancen, die illegale Märkte bieten, haben mächtige Mafia-Gruppierungen motiviert, im Amazonas-Gebiet Brasiliens Fuß zu fassen“, sagt Prof. Miranda. „Die organisierte Kriminalität hat ihre besonderen Methoden, Gewalt zum Erreichen ökonomischer Ziele einzusetzen. Maßnahmen, die für den Schutz der Umwelt gedacht sind, helfen dagegen leider nur zum Teil.“
... zur Pressemitteilung der Universität Bonn: